Drishti – die Macht des Augenblicks

Nicht nur Motorradfahrer wissen wie wichtig eine gute Blickführung ist. Schließlich geben wir mit dem Blick vor, wo wir hinfahren. Im Yoga ist es ähnlich. Dort wo wir mit festem Blick hinschauen, dort wird auch unsere Aufmerksamkeit auf ganz natürliche Art und Weise hingelenkt.

Ich persönlich habe die Drishtis, auf die vor allem im Ashtanga Yoga viel Wert gelegt wird, mittlerweile sehr zu schätzen gelernt. Sie sind genau der Anker, der mir früher so oft gefehlt hat. Vielleicht kennt ihr das auch: Man steht nach einem langen Arbeitstag auf der Matte und irgendwie fällt es einem schwer den Geist zur Ruhe kommen zu lassen. Im Kopf wuseln noch zig Gedanken vom Tag umher und um einen herum gibt es schon wieder neue Eindrücke, die um ihre vermeintlich wohlverdiente Aufmerksamkeit kämpfen. Um den Kopf klar zu bekommen, habe ich an solchen Tagen immer versucht mich rigoros auf meinen Atem zu konzentrieren, die Gedanken nur noch aus der Ferne zu beobachten und meine Aufmerksamkeit gezielt nach Innen zu richten. Das ist mir natürlich nicht immer gelungen und manchmal bestand die ganze Stunde nur noch aus einem einzigen, sich hochschaukelnden Kampf zwischen mir und meinem Ego. Selbstverständlich, dass ich mich nach solch einer Stunde immer regelrecht um mein heiß geliebtes Yogahigh betrogen gefühlt habe.

Und jetzt kommen die Drishtis ins Spiel. Drishtis, sog. Denk- und Konzentrationspunkten, helfen uns dabei unsere Aufmerksamkeit zu sammeln und zu lenken. Wenn wir uns auf einen einzigen bestimmten Punkt konzentrieren, ist unser Geist weniger den vielen Versuchungen und Ablenkungen von Außen ausgesetzt. Das Halten von Drishtis lässt uns ganz bei dem sein, was wir gerade tun. Somit unterstützen sie uns auch bei der Ausrichtung in den Asanas. Und dementsprechend hat jede Yogapose auch ein traditionelles Drishti, wie z. B. der Blick zum Bauchnabel im herabschauenden Hund, der Blick zur Nasenspitze im heraufschauenden Hund oder der Blick zur Hand im Dreieck.

Aber auch in der Meditationspraxis können wir uns Konzentrationspunkte zu Nutze machen. Denn wenn wir uns einen Punkt in unserem Inneren aussuchen, können wir unseren Geist am besten von den Äußeren Eindrücken abschirmen und ihn ruhig und konzentriert werden lassen. Wir können also tiefste Konzentration erfahren, wenn wir darin erfolgreich sind unseren Geist auf einen Punkt in unserem Inneren zu fokussieren. So wird z. B. der innere Blick auf das dritte Auge oft in Meditationen genutzt.

Hier ein paar Beispiele wie die neun Drishtis in Asanas gesetzt werden:

  • Nasagra Drishti, der Blick zur Nase, wirkt beruhigend und hilft bei Nervosität und Schlaflosigkeit. Auch hilft er, wenn man Zugang zum Herzen sucht. Traditionell wird Nasagra Drishti z. B. in der stehenden Vorwärtsbeuge (Uttanasana) gesetzt.
  • Ein echter Stimmungsaufheller ist Urdhva Drishti, der Blick nach oben. Er wirkt nicht nur aktivierend sondern auch inspirierend und wird z. B. in der Stuhlhaltung (Utkanasana) oder im Krieger I (Virabhadrasana I) gesetzt.
  • Mit Bhrumadhya Drishti, dem Blick zwischen die Augenbrauen, soll das dritte Auge geöffnet werden. Dabei sind die Augen halb oder ganz geschlossen. Wir üben Bhrumadhya Drishti in Asanas wie z.B. der Fischstellung (Matsyasana) oder aber in der Meditation.
  • Padayoragram Drishti, der Blick auf die Zehen, wird klassischerweise in der einfachen Vorwärtsbeuge im Sitzen (Paschimottanasana) oder in der Kopf-zum-Knie-Haltung (Janusirsansana) gesetzt.
  • Im herabschauenden Hund (Ahdo Mukha Svanasana) z. B. soll der Blick Richtung Nabel gehen, also Nabhi Chakra Drishti gesetzt werden.
  • Hastagram Drishti, der Blick zur Hand, kennen wir typischerweise aus Haltungen, in denen die Energie über die Hände geleitet wird, wie z. B. dem Dreieck (Trikonasana) oder dem gestreckten seitlichen Winkel (Utthita Parshvakonasana).
  • Parshva Drishti, der Blick nach rechts oder der Blick nach links, wird oft in Twists, wie z. B. dem Drehsitz (Ardha Matsyendrasana), genutzt. Es heißt, dass wenn man nach links schaut, Pingala Nadi geöffnet wird und die Sonnen-Energie zum Fließen kommt während beim Blick nach rechts Ida Nadi geöffnet und die Mond-Energie gestärkt wird.
  • Augusta Ma Dyai Drishti, der Blick auf die Daumen, wird klassischerweise in der gestreckten Berghaltung (Urdhva Hastasana) genutzt.

Probier die Drishtis doch einfach mal aus. Du wirst sehen, dass sie ein wahrer Schatz sein können und deiner Yogapraxis ein ganz besonderes Fundament verleihen.

Namasté,

Anaxandra

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